Plötzlich.
Plötzlich sagte mein Verlag Nein. Mein Verlag, der die größten Erfolge mit mir gefeiert, zum ersten Mal für einen Autor einen internationalen Empfang auf der Frankfurter Buchmesse veranstaltet hatte – dieser Verlag sagte Nein zu mir. Einmal. Zweimal sogar. Und mein Leidensweg nahm seinen Lauf.
Mein Autorenleben geriet aus den Fugen.
Eine Absage folgte der anderen.
Denn plötzlich schien es, als wäre die ganze deutsche Verlags- und Agentenwelt unausgesprochen der Meinung, Nataša Dragnić, die internationale Bestsellerautorin, die Mutter von Dora und Luka und Roberta und Lucia und Nannina und Julia und Toma und Giorgia, könne nicht mehr schreiben. Sie habe es verlernt. Sie habe nichts mehr zu sagen. Sie habe ihre Sprache verloren. Ihre Wörter. Ihren Zauber. Ihre Leidenschaft.
Ja. So schien es plötzlich.
Nach dem Zurückweisen kam das Schweigen.
Und während all der Zeit, während all des Missachtens Verachtens Nichtachtens staunte ich, tobte, weinte, fluchte ich – und schrieb. Ich verstummte. Ich schämte mich, ich schrie – und schrieb. Ich verlangte nach Antworten, nach sinnergebenden Antworten. Ich hasste, trauerte, verzweifelte – und schrieb. Ich klagte, verzagte, entsagte. Ich zog mich zurück. Ich behauptete, es sei mir alles egal. Ich wolle nicht mehr. Sowieso.
Und ich schrieb.
Ununterbrochen schrieb ich.
Ratlos und rastlos.
Ich gründe einen eigenen Verlag und veröffentliche meine Bücher selbst, verkündete ich wütend und entschlossen meinem besten Freund. Er wird MORE heißen, fügte ich noch begeistert hinzu. MORE wie mehr auf Englisch und MORE wie das Meer auf Kroatisch. Mein bester Freund fand das zauber-voll. Ich beruhigte mich für einen kurzen Augenblick – und schrieb.
Und dachte, wenn ich meine Romane selbst veröffentliche, bin ich eine Versagerin. Endgültig.
Und jedes Mal so.
Ich konnte nicht loslassen.
Ich atmete Verletzung ein und Vergeltung aus.
Wie der Mond um die Erde drehte ich mich um diese und jene und jede Ablehnung.
Wie die Erde um die Sonne drehte ich mich um diese und jene und jede Gleichgültigkeit.
Ich konnte nicht loslassen.
Außer wenn ich schrieb. Dann war alles vergessen und vergeben. Denn ich wusste, was ich konnte. Und das konnten sie mir nicht nehmen. Sie konnten mich fallenlassen und ignorieren und vergessen. Aber mein Können konnten sie mir nicht nehmen.
Ich konnte sie nicht loslassen.
Bis ich es dann doch konnte.
Plötzlich.
Unerwartet.
Aufgewacht. Aus einem Alptraum erwacht. Auf einmal war sie da, die Klarheit. Die Zuversicht. Die Ausgeglichenheit. Die Freude. Die Ruhe. Der Frieden.
Das Vergeben und Vergessen.
Endlich.
Ich fand und erfand mich neu. Die Farben der Welt leuchteten mächtiger und genauer und schlüssiger und nachvollziehbarer. Und ich verstand, dass ich nicht verstehen musste, dass es genügte zu vertrauen.
Plötzlich verstand ich das.
Neue Wege breiteten sich vor mir aus und ich betrachtete sie alle eingehend, voller Neugierde und Offenheit. Voller Dankbarkeit.
Und immer wieder schlich mehr Meer in meine Gedanken hinein, wie ein alter Freund, ein treuer Hund, ein geduldiger Vater. Alles geschah unvorstellbar schnell. Am Abend noch ahnungslos – am Morgen schon zielbewusst. Der Gedanke, die Kontrolle und Übersicht über mein Leben, mein Schaffen zu übernehmen, entzückte mich. Jetzt konnte ich das Selfpublishing endlich mit offenen Armen willkommen heißen, ohne Wenn-und-aber dahinterstehen, stolz und freudig. Und entschlossen. Ich verstand plötzlich, dass ich niemandem etwas beweisen musste. Ich hatte schon hunderttausende von Lesern weltweit. Ich gewann etliche Preise im In- und Ausland. Mein Debütroman wurde in 28 Ländern veröffentlicht. Himmelherrgott nochmal! Ich verstand plötzlich, ich brauchte keinen Verlag.
Die Freiheit, authentisch zu sein.
Denn ich schreibe, seitdem ich schreiben kann. Das ist meine Bestimmung, meine Berufung. Daran wird sich nichts ändern. Nie. Jetzt weiß ich, dass mein Glücklichsein bedingungslos ist. Ich schreibe Geschichten, die ich selbst lesen will. Ich schreibe sie für mich. Sie mit anderen zu teilen, teilen zu können, ist lediglich ein Bonus, ein Geschenk, eine Extrafreude. Und wenn sie diesen anderen auch noch gefallen, dann ist mein Herz voller Dankgefühl und Verbundenheit.
Wenn ich jetzt den Kopf hebe, ganz wenig, ganz leicht, spüre ich, wie die Flauschigkeit des Januarhimmels sanft über meine Haare streicht. So nahe.
Ich lächle.
Ich feiere.
Ich schreibe.
Das Leben ist voller unendlicher Möglichkeiten. Plötzlich.
Ende Februar erscheint mein neuer Roman „Zwischenschritte“ unter meinem Label MORE books.
Das wird ein hervorragendes Jahr. Ein grandioses Jahr. Ein Jahr to remember.
25. Januar 2024